Zeitzeugin Eva Weijl (83) trifft Zweitzeugen des Berufskollegs

Mucksmäuschenstill war es in der Aula des Berufskollegs Geldern am 27. November 2019,  als die 280 Schülerinnen und Schüler nachdenklich auf die Bilder von Krieg und Zerstörung blicken. Es sind Fotos aus dem Leben der jungen Eva Weijl. Sie hatte als Zeitzeugin die nationalsozialistische Terrorherrschaft in den Niederlanden er- und überlebt und berichtete aus ihrem Leben.

Eva Weijl berichtet über den Alltag im KZ Westerbork

Ihre Mission: Das jugendliche Publikum vor den Folgen von Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung zu warnen. Eindrucksvoll gelingt ihr dies mit ihren Erzählungen. „Jeder, der meine Geschichte hört, ist ab heute ein Geschichtszeuge“.

Petra Wiese, stellvertretende Schulleiterin, begrüßte Weijl und betonte in bewegenden Worten, dass es keinesfalls selbstverständlich sei, dass Holocaust-Überlebende in Deutschland, dem Land der Täter, überhaupt auftreten würden.

„Westerbork war das Portal zur Hölle“, erinnert sich die 83-jährige Zeitzeugin an das Sammellager im Nordosten der Niederlande nahe der deutschen Grenze. 1942 kam das damals sechs Jahre alte Mädchen mit ihren jüdischen Eltern, die bereits 1933 aus Deutschland in die vermeintlich sicheren Niederlande geflohen waren, in das „Vorzeigelager“ der Nationalsozialisten. Sie waren dort bis zur Befreiung durch alliierte Truppen im Jahre April 1945 inhaftiert.

Geführt wurde das Sammellager von dem aus Düsseldorf stammenden KZ-Kommandanten Albert Gemmeker.  „In Westerbork“, so Weijl, „starb kaum ein Gefangener“. Der Lagerkommandant vermittelte u.a. durch Theateraufführungen, den Bau des größten Krankenhauses der Niederlande, einer Schule, etc. den Eindruck, als wolle er den gefangenen Juden etwas Gutes tun.

Mit seiner perfiden Taktik sorgte er dafür, dass diese sich auch ruhig verhielten, als sie in die Viehwaggons einstiegen. Deren  Endstationen waren die Vernichtungslager Auschwitz, Sobibor, Bergen-Belsen oder Theresienstadt. Bis zum Jahr 1945 kamen in diesen Todeslagern insgesamt 93 Züge mit jeweils mehr als 1000 Gefangenen aus Westerbork an. Von den ca. 120000 deportierten Juden überlebten nur ca. 5000. Eva Weijl und ihre Familie überlebten die Gefangenschaft mit viel Glück.

„Gemmeker hat als Schreibtischmörder Tausende Juden in den Tod geschickt“, so Weijl. Er habe nach dem Krieg zunächst behauptet, nichts vom grausamen Schicksal der Juden  gewusst zu haben. Da er nahezu alle Akten vernichtet hatte, kam er mit einer nur sechsjährigen Gefängnisstrafe davon und lebte anschließend – diesmal als Zigarrenverkäufer -  wieder in Düsseldorf.

„Nie wieder Ausschwitz!“ rief die Zeitzeugin den Schülern zu. „Ich bin bald nicht mehr da, um euch meine Geschichte zu erzählen. Aber als `Zweitzeugen´ könnt ihr dafür sorgen, dass sie nicht vergessen wird und sich die Menschen auch weiterhin an diese schreckliche Zeit erinnern.“

Großen Applaus gab es nicht nur für Eva Weijls Kraft zu mahnen, sondern auch für den brillanten Vortrag.

„Es ist wichtig, dass es noch diese Zeitzeugin gibt, die ihre Geschichte an uns weitergibt, denn sie hat es ja selbst  erlebt“, so das Fazit des Schülers Nick Martens. „Nur, wenn man die Vergangenheit kennt, kann man die Zukunft besser gestalten.“

(Hermann Beckers)