Neapel sehen und sterben!

Ähnlich wie Goethe, der die italienische Redewendung „Vedi Napoli e poi muori“ in seiner Italienischen Reise aufgriff, war unsere elfköpfige Delegation von der Magie Neapels und seiner Umgebung in den Bann gezogen.

Gemeinsamer Besuch von Ercolano

Dass dieser Ausspruch zu Zeiten enormer Flüchtlingsströme, die auch in der Region Kampanien verzweifelt nach einer Heimat suchen, eine ganz andere Bedeutung erhalten kann, wurde dabei durch die tiefen Einblicke in Flüchtlingshilfe im Rahmen unseres Erasmus+ Projektes EUphoria  in Pomigliano d’Arco deutlich.

Herzlich, gastfreundlich, hilfsbereit, begeistert und interessiert sind nur einige der Begriffe, die wir nennen möchten, um das italienische Kollegium und die Gastfamilien zu beschreiben – und so positiv sie sind, so wenig schaffen sie es in Worte zu fassen, wie freundlich und offenherzig wir durch alle in unserer Partnerschule in Pomigliano d’Arco und in den Gastfamilien willkommen geheißen wurden.

Von der Organisation der Treffen rund um den ersten Themenschwerpunkt „Ersthilfe für Flüchtlinge“ unseres Erasmus+-Projekts EUphoria, über die Einblicke, die uns in Neapel und in Ercolano regionale Kultur und Geschichte näher brachten, bis hin zu den kulinarischen Erlebnissen, die uns ein wenig vom Gefühl des Dolce Vita vermittelten - es war ein in allen Belangen bereichernde Projektwoche, die uns ganz nach unserem Projekttitel euphorisch auf unsere Zeit in Pomigliano d’Arco zurückblicken lässt.

Bei aller Euphorie bleiben wir aber auch tief bewegt zurück. Vor allem die Einsichten, die wir in einer Anlaufstelle  der Gemeinschaft Sant Egidio (https://www.santegidio.org) in Neapel durch Flüchtlinge in deren bewegende und nahezu todbringende Reise erhalten haben, werden noch lange vor unserem geistigen Auge verharren.

Unseren Schülerinnen und Schülern – wie auch den portugiesischen Teilnehmern – wurde dadurch bewusst, welche Odyssee ihre Altersgenossen auf sich genommen haben, um letztlich in Italien Zuflucht zu finden: kein Weg zurück, weil in der Heimat auch wieder nur Tod oder Folter warteten, zuneige gehende Vorräte an Wasser und Essen mitten in der Wüste, Ausbeutung und Gewalt entlang der Wegstrecke, Panik und Todesangst auf überfüllten Booten, ertrinkende Weggefährten neben sich – Neapel sehen und sterben! Doch dann endlich ein Rettungsring in den Weiten des Mittelmeers irgendwo vor der italienischen Küste, der die eigene Reise in den scheinbar sicheren Tod beendete.

Doch damit nicht genug, dem Tod gerade noch einmal entronnen, waren sie zunächst Fremde in einem Land, dessen Sprache sie nicht konnten. Alleine, ohne Ansprechpartner und Aufenthaltsgenehmigung, standen sie vor der nächsten großen Herausforderung ihres Lebens: Wie schaffe ich es hier irgendwie Fuß zu fassen? Wo bekomme ich Hilfe? Wie kann ich überleben?

Für einige war es eine endlos wirkende Zeit, bis sie von anderen Flüchtlingen oder durch hilfsbereite Menschen in der Stadt einen Tipp bekamen, der für sie  endlich einen Schimmer der Hoffnung bedeutete. Durch die Gemeinschaft von Sant Egidio konnten sie an mehreren Tagen in der Woche Italienisch lernen – der Türöffner in diese für sie unbekannte Welt. Gerne geben sie die Hilfe heute an andere weiter, verteilen Essen an Bedürftige und bringen andere Flüchtlinge mit zu Sant Egidio, um auch diesen Hoffnung zu geben.

Diese Eindrücke haben italienische, portugiesische und deutsche Schülerinnen und Schüler dazu inspiriert, eine Idee der italienischen Delegation weiterzuentwickeln. Sie verfassten eine Declaration of Commitment (Verpflichtungserklärung, s. Foto), mit der sie in die Welt hinausrufen, dass sie, wo immer sie auch sind, Menschen in Not helfen und Fremdenhass entgegentreten werden.

Wir freuen uns daher auf ein Wiedersehen mit Italienern und Portugiesen im März 2019 bei uns am BK Geldern. Dann werden wir Populisten entlarven und über Integration debattieren.