Ein halbes Jahr Ausbildung im Gartenbau - Ein Rückblick
Am 1.8.2013 habe ich meine Ausbildung zur Gärtnerin der Fachrichtung Zierpflanzenbau im Betrieb Gartenbau Heuvels begonnen. Das ist nun ein halbes Jahr her und ich würde sagen: ich bin gut im Berufsleben angekommen.
Früher hätte ich niemals gedacht, dass ich mal im Gartenbau landen würde, zumal ich immer etwas mit Kunst und Pferden machen wollte (Sattlerin). Mein botanisches Wissen war auch eher beschränkt; Pflanzen brauchen Licht und Wasser um wachsen zu können und ein Gänseblümchen wusste ich auch von einer Sonnenblume zu unterscheiden. Dass Straelen und Umgebung die Gartenbaumetropolen schlechthin sind, ist mir auf dem Ponyhof in Pont schlichtweg entgangen.
Um die Zeit nach dem Abitur ohne Prüfungszulassung und dem Beginn einer Ausbildung zu überbrücken, habe ich dann „erstmal in einer Gärtnerei gejobbt“. Mir ist schnell aufgefallen, dass, wenn man eine gute Gärtnerin sein will, weit mehr als stupide Arbeit dahinter steckt. Mein Chef hat es tatsächlich geschafft mein pures Desinteresse in Begeisterung umzuwandeln. Die Kunst besteht nicht nur in einer pingelig genauen Kultivierung, sondern auch im unternehmerischen Denken. Allein der Fuhrpark und die zahlreichen Maschinen, die die Arbeit erleichtern und die es richtig zu bedienen gilt, haben mich beeindruckt und mir klar gemacht, wie wenig ich wusste und wie viel ich noch lernen wollte. Im Gartenbau werden noch viele Fachkräfte gesucht, deswegen bin ich direkt da geblieben: Die Familie Heuvels hatte also am 1.8.2013 eine neue interessierte und leicht übermotivierte Auszubildende.
Mein Chef hat gesagt, bevor man Verantwortung übernehmen und eine leitende Position einnehmen könne, müsse man betriebliche Zusammenhänge verstanden und alle „stupiden“ Arbeiten einmal gemacht haben. Diese Arbeiten seien nicht wirklich stupide, da es diese zu perfektionieren gelte. So begann meine Ausbildung mit Unkraut pflücken, Stellflächen fegen, packen, stutzen etc. Die Kontrollen meiner Arbeit waren immer sehr kritisch. Gerade die einfacheren Arbeiten sollten schnell und gut gemacht werden. Schon von Anfang an sollte ich Vorbildfunktion haben und mir der Verantwortung bewusst sein – gewiss habe ich mir das anfangs leichter vorgestellt. Die Verantwortung wuchs noch mit der Zeit, beispielsweise beim Aussäen der Umgang mit dem teuren Saatgut, wobei kein Echinacea-Samenkorn verloren gehen durfte oder als ich mit mehreren Saisonkräften, Auto und Anhänger zum Pachtbetrieb zum Cortaderia-Packen und Unkrautpflücken fahren sollte, und darauf zu achten war, dass jeder ständig mit Arbeit versorgt war. Die Arbeit hat mich teilweise schon an meine physischen und psychischen Grenzen gebracht, aber anders als zu meiner Schulzeit, bin ich heute in meiner Freizeit viel ausgeglichener.
Nach der Arbeit bin ich des Öfteren mit zur Landgard gefahren und einmal vor der Arbeit mit zur Versteigerung. Ich wurde auch zu Besichtigungen von Kohle-Kesseln, Holzhackschnitzelanlagen oder Jungpflanzenbetrieben mitgenommen. Mein Chef hat mir vorgerechnet, wie sich der Preis einer Pflanze zusammensetzt und mir schon vor Beginn der Schule sehr viel Pflanzenkenntnisse vermittelt; Zum Glück bekommt mein Ausbildungsbetrieb die Rückware von Thielen zur Vernichtung. So bekomme ich regelmäßig verschiedenste Pflanzenarten, meist mit Etikett, zu Gesicht und kann sie viel besser lernen. Mir schien und scheint es immer noch, dass meinem Chef sehr daran gelegen ist, dass ich viel lerne.
Obwohl ich meine Arbeit meistens gerne mache, ist die Schule ein- bis zweimal die Woche fast wie Urlaub. Normalerweise hätte man meinen sollen, dass mir mit einem „ausreichend“ in Biologie von der Gärtnerei abzuraten wäre. Der Knick in meinem Selbstbewusstsein durch mein gescheitertes Abitur wurde schnell geheilt. Der praxisnahe und anwendbare Unterricht hat sich positiv auf meine Noten ausgewirkt, sodass meine schlechteste Note mittlerweile ein „gut“ ist. Der Unterricht ist gut machbar und meiner Meinung nach wirklich interessant. Wo ich vorher sinnloser Weise uneigentliche Integrale und Schnittgeraden zweier Ebenen im dreidimensionalen Koordinatensystem berechnen oder Goethes Iphigenie analysieren sollte, lerne ich jetzt wie ich Pflanzen verwende, kultiviere und vermarkte. Zudem habe ich die Gesellschaft anderer werdender Gärtner zu schätzen gelernt, die sich in der gleichen Lage wie ich befinden und mit denen es Spaß macht, sich auszutauschen.
Der Unterricht kommt mir auch im Betrieb zugute, denn mittlerweile kann ich viele Zusammenhänge, Konstruktionen und Vorgänge, die für mich vorher keinen Sinn ergeben haben, verstehen. Auch fällt es mir leichter die Sachen, die mein Chef oder andere gelernte Gärtner sagen und gesagt haben, zu verstehen. Natürlich bringe ich mein Wissen aus der Schule gerne mit ein; komischerweise scheinen die anderen davon genervt zu sein, wenn ich zum Beispiel an der Topfmaschine den Unterschied zwischen Zwiebeln und Knollen erkläre.
Rückblickend denke ich gerne daran, wie ich morgens um 5:30 Uhr alleine im Crocosmiafeld die noch mit Tau bedeckten Pflanzen vorgeputzt habe – eine Arbeit bei der man viel Zeit zum Nachdenken hat – oder wie in der prallen Mittagshitze Bestellungen rein kamen und alle, verschwitzt und schmutzig, so schnell gepackt haben, als ginge es um Leben und Tod. Das Stressige, Hektische ist mir so lieb wie das Ruhige, Geduldbeanspruchende. Spontan fällt mir kein Beruf ein, der so vielseitig ist und ich denke, dass es heutzutage ein echtes Privileg ist, sowohl im Sommer im Freiland, als auch im Winter im beheizten Treibhaus immer bei Tageslicht arbeiten zu können.
Oda Krumey, GBSG 31